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11.04.2022

Die psychischen Folgen der Pandemie

Nach zwei Jahren Corona-Pandemie kehrt nun trotz hoher Infektionszahlen allmählich der Alltag zurück: Geschäfte, Restaurants, Museen, Theater und Konzertsäle konnten wieder öffnen – lang ersehnte Kontakte zu Verwandten und Freunden sind wieder möglich. Doch das Leben mit dem Virus und Einschränkungen hat bei einigen Menschen die psychische Gesundheit beeinträchtigt, weiß Dr. Mathias Jähnel, Chefarzt der Abteilung für Psychiatrie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Krankenhauses Tauberbischofsheim.

Die Pandemie war und ist für uns alle sehr belastend. Menschen mit psychischen Erkrankungen spüren diese Belastung besonders“, sagt Mathias Jähnel. Es habe sich gezeigt, dass insbesondere ältere Personen sowie Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene die Einschränkungen negativ erleben und mit den Auswirkungen zu kämpfen hätten. In den vergangenen zwei Jahren suchten zunehmend Erwachsene in akuten psychischen Krisen Hilfe, und das vor allem im ambulanten Bereich. Dennoch sei es nicht vermehrt zu schweren psychischen Erkrankungen gekommen, das habe die Erfahrung in der Tauberbischofsheimer Psychiatrie gezeigt. Ähnlich verhalte es sich mit der Zahl der Suizide in Deutschland, die seit Beginn der Pandemie glücklicherweise nicht gestiegen sei.

Besonders von Einschränkungen betroffen waren Arbeitnehmer aus dem gesamten Kultur- und Freizeitsektor oder Selbstständige, die ihrer Arbeit auf Grund von Schließungen nicht mehr nachgehen konnten. Spürbare Folgen waren Angststörungen und Depressionen bei Patienten, die vermehrt im Frühjahr 2021 in den Ambulanzen der Psychiatrie in Tauberbischofsheim und der Außenstelle am Caritas-Krankenhaus Bad Mergentheim behandelt wurden. Dort seien die Zahlen angestiegen. „Wir hatten noch nie so viele Ambulanzanfragen“, berichtet Dr. Jähnel. Die Menschen hätten teilweise unter nackten Existenzängsten gelitten. Auch der Begriff „systemrelevant“ habe einigen zu schaffen gemacht. „Da kamen Fragen nach dem eigenen Wert auf – etwa ob man für die Gesellschaft wichtig sei, wenn man keinen systemrelevanten Beruf ausübt“, beschreibt der Facharzt die Lage seiner Patientinnen und Patienten.

Dr. Mathias Jähnel, Chefarzt der Abteilung für Psychiatrie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Krankenhauses Tauberbischofsheim

Einsamkeit

Auch Einsamkeit sei beispielsweise bei älteren Menschen, aber insbesondere bei Studierenden Thema gewesen. „Studentinnen und Studenten sind teilweise seit zwei Jahren an einer Universität eingeschrieben, haben sie aber bis heute nicht von innen gesehen. Sie haben keinerlei Kontakt zu Kommilitonen und lernen alleine am PC“, berichtet der Chefarzt. Weiterhin hätten sich einige ehemalige Patientinnen und Patienten gemeldet, die akut nach Unterstützung suchten. Einige Menschen seien aber auch schlichtweg überlastet gewesen. „Gerade berufstätige Mütter, die neben der Arbeit im Homeoffice nun zusätzlich mit ihren Kindern zu Hause lernen mussten, standen unter großem psychischen Druck“, so Jähnel. Auswirkungen von Überlastungen hätten sich aber auch bei dem durch die Pandemie besonders belasteten Personal im Gesundheitswesen gezeigt.

Sicheres psychiatrisches Versorgungsnetz

Ein großer Vorteil sei, dass man heute ein sicheres psychiatrisches Versorgungsnetz habe. „Unsere Abteilung für Psychiatrie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie hat einen Versorgungsauftrag im Main-Tauber-Kreis und arbeitet eng mit den Hausärztinnen und -ärzten in der Region zusammen“, erklärt Dr. Jähnel. Allgemeinmediziner seien heute psychiatrisch viel besser geschult als noch vor einigen Jahren. Dies sei mit ein Grund, warum psychische Erkrankungen heute schneller erkannt und besser behandelt werden können. Schwerwiegende psychische Folgen könnten so bereits früh verhindert werden.

„Die Patienten müssen teilweise sehr lange auf einen Therapieplatz bei einem niedergelassenen Kollegen warten. Hier stehen wir als Notfallansprechpartner zur Verfügung. Da wir selbst keine ambulante Regelpsychotherapie anbieten dürfen, helfen wir dabei, die Wartezeiten zu überbrücken, bis ein solcher Platz zur Verfügung steht“, sagt Dr. Jähnel.

Ältere Menschen, aber insbesondere Studierende waren einsam während der Pandemie.

Besonderer Schutz

„Auch die physische Sicherheit unserer Patientinnen und Patienten steht für uns an erster Stelle und gibt ihnen ein größeres Sicherheitsgefühl – was für den Erfolg einer Therapie sehr wichtig ist“, bekräftigt Dr. Jähnel. Daher wurde schon Mitte 2020 ein strenges Hygienekonzept eingeführt – unter anderem wurden Patientinnen und Patienten in Einzelzimmern untergebracht, Gruppentherapien und das Essen im Gemeinschaftsraum wurden ausgesetzt. „Im Normalfall haben wir eine 100-prozentige Belegung im stationären Bereich. Um eine Durchmischung der Patientinnen und Patienten möglichst gering zu halten, haben wir diese auf 90, teilweise auch 85 Prozent heruntergeschraubt“, erklärt der Psychiatrie-Chefarzt den Ablauf. „Dank der Vorsichtsmaßnahmen hatten wir bis zum Auftreten der Omikron-Variante keine einzige Infektion unter den Patienten– das ist jetzt bei dieser sehr ansteckenden Variante etwas anders.“ Herausfordernd sei, dass man nun auch beim Personal immer wieder Ausfälle habe.

„Die Infektionszahlen sind so hoch wie nie – was noch auf uns zukommen wird, kann man nur schwer einschätzen. Wir fahren auf Sicht und halten noch an den bisherigen Vorsichtsmaßnahmen fest“, sagt Dr. Jähnel. Dies sei der beste Schutz vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus. Um uns auch gegen die psychischen Folgen der Pandemie zu wappnen, sei ein gutes soziales Umfeld die beste Vorsorge. 

Text: Christiane Jansen 

Stand: 29. März 2022

 
 

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