12.12.2024
Der Inklusionsbetrieb Gästehaus im Schlosspark feiert sein einjähriges Bestehen – ein Anlass, um auf ein erfolgreiches erstes Jahr zurückzublicken, das von schönen Erlebnissen, vielfältigen Begegnungen und gelungener Teamarbeit geprägt war.
Die Kombination aus den historischen Räumlichkeiten des barocken Schlösschens, einem regionalen Frühstücksangebot und vielfältigen Veranstaltungen hat Gäste aus aller Welt angelockt. Gleichzeitig ermöglichte der inklusive Gedanke des Gästehauses, dass Menschen mit Beeinträchtigung eine sinnstiftende Tätigkeit ausüben können. Kathrin Kesberg, die Leiterin des Inklusionsbetriebs und Manuel Quint, Direktor Teilhabedienste der Barmherzigen Brüder Saffig teilen ihre Erlebnisse und Gedanken nach dem ersten Jahr.
Das Erfolgsrezept inklusiver Teams
Ein Inklusionsbetrieb verfolgt das Ziel, Menschen mit und ohne Beeinträchtigung eine gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Laut Kathrin Kesberg liegt der Fokus dabei auf den individuellen Stärken jedes Teammitglieds: „Im beruflichen Alltag setzen wir den Fokus auf die Stärken der Mitarbeitenden und akzeptieren deren Schwächen. Diese werden, wo möglich, durch gezielte Schulungen ausgeglichen.“ Dieses Konzept hat nicht nur ein harmonisches Arbeitsklima geschaffen, sondern auch kreative Lösungen hervorgebracht, wie den Einsatz eines Strandbollerwagens für den Transport der Wäsche. „Ich denke, der größte Mehrwert des Inklusionsbetriebs ist die Vielfalt der verschiedenen Menschen, die unterschiedliche Sichtweisen durch ihre persönlichen Erfahrungen haben. Das fördert das Lernen voneinander, den Austausch untereinander und führt zu kreativeren Lösungsansätzen“, ist Kesberg überzeugt.
Das Team ist im ersten Jahr stetig gewachsen und hat dabei auch neue Arbeitsbereiche erschlossen. Teilhabedirektor Manuel Quint hebt hervor: „Menschen mit Beeinträchtigung haben hier eine sinnstiftende Tätigkeit gefunden, bei der sie ihre Kompetenzen in einem begleiteten Umfeld sehr gut einbringen können. Der gelebte Teamgedanke ist dabei besonders schön zu beobachten.“ Das kann auch Kesberg aus der Praxis bestätigen: „In unserem inklusiven Team nehmen wir Rücksicht aufeinander, sind fürsorglich und respektvoll. Viele haben ein Päckchen zu tragen, aber erfahren durch ihre Arbeit Anerkennung abseits der eigenen Probleme.“ Am Ende des Tages sei es eben unerheblich, ob die Kollegin oder der Kollege eine Beeinträchtigung hat – was zählt, ist der gemeinsame Einsatz für ein bestmögliches Erlebnis des Gastes.
Positive Bilanz und viele schöne Momente
Schon mit Blick auf die nackten Zahlen kann das erste Jahr durchaus als großer Erfolg verbucht werden: „Im ersten Betriebsjahr wurden 860 Zimmer vermietet und 1.770 Frühstücke serviert. Wir durften Gäste aus Deutschland, den Niederlanden, den USA und sogar Australien begrüßen – eine bunte Mischung aus Paaren, Alleinreisenden und Familien“, resümiert Kesberg. Besonders berührend war der Besuch eines Gastes, der nach 20 Jahren seinen Bruder wiedersehen konnte. Dieser lebt schon seit vielen Jahren in einer stationären Wohngruppe der Barmherzigen Brüder Saffig. Es war ein sehr emotionaler Moment, und auch für das nächste Jahr ist bereits wieder ein Besuch geplant.
Darüber hinaus blieben aber auch die vielen kleinen Momente im Gedächtnis, berichtet Kesberg: „Seien es Gäste, die uns Zettel mit einem Dankeschön ins Zimmer legen, die unser Team loben und uns weiterempfehlen oder Gäste, die wiederkommen und ihre Freunde mitbringen. Vor kurzem schrieb sogar ein Gast in seiner Bewertung, dass es sich anfühle wie nach Hause zu kommen, wenn er durch den Torbogen am Schlösschen fährt. Ein schöneres Lob können wir uns als Gastgeber nicht wünschen.“
Neben den vielen positiven Momenten gab es in der Anfangsphase aber natürlich auch Herausforderungen. So führte etwa ein Kommunikationsfehler im Hinblick auf die Öffnungszeiten der Rezeption dazu, dass ein Gast vor verschlossenen Türen stand, was wiederum eine schlechte Bewertung nach sich zog. Sobald der erste Ärger verflogen ist, dienen solche Erlebnisse im Nachhinein als Lernmomente, wie Kesberg betont: „Ich habe viel gelernt, zum Beispiel, dass Stress im Inklusionsbetrieb nicht funktioniert. Wenn ich Druck von außen - zum Beispiel bei einem Early Check-In - nicht abdämpfe, überträgt er sich aufs Team und führt zu schlechteren Ergebnissen. Die Devise lautet daher: In der Ruhe liegt die Kraft.“
Der Veranstaltungsraum, der erst im Sommer eröffnet wurde, diente bereits als Kulisse für Tagungen, Beerdigungskaffees, Taufen und andere Familienfeiern. Auch standesamtliche Trauungen wurden im historischen Gewölbekeller durchgeführt. Und auch für das Jahr 2025 ist der Buchungskalender bereits gut gefüllt: „Es gibt schon einige feste Termine für Tagungen im Frühjahr sowie Trauungen im Sommer. Gerne möchten wir den Gartensaal Carl Caspar von der Leyen auch wieder mit Wechselausstellungen bespielen, so wie wir das im Jubiläumsjahr 2019 im Schlösschen gemacht haben“, erzählt Kesberg. „Wir sind von der Anzahl der Gäste und Veranstaltungen sehr beeindruckt. Gerne darf es im zweiten Jahr so weitergehen“, freut sich auch Manuel Quint.
Leuchtturmprojekt für Inklusion im Arbeitsleben
„Die Eröffnungsveranstaltung bei tollem Sonnenschein war mit vielen positiven Gefühlen besetzt. Der schöne Rahmen und die vielen Gäste waren für das Team des Inklusionsbetriebs und das Projektteam die Belohnung für die schwierige Planungsphase“, blickt Manuel Quint zurück. Er sieht den Inklusionsbetrieb als Leuchtturm-Projekt, gerade angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen im Gesundheits- und Sozialwesen: „Als Barmherzige Brüder Saffig sind wir überzeugt davon, uns entschieden für kranke, beeinträchtigte und benachteiligte Menschen einzusetzen. Dies gelingt im Inklusionsbetrieb in besonderem Maße. Wo wir zu Beginn auf unterschiedliche Fördermittel angewiesen waren, so sind wir bereits nach einem Jahr auf einem guten Weg, uns wirtschaftlich ausgewogen aufzustellen“. Um diesen Weg auch weiterhin zu verfolgen, wird der Inklusionsbetrieb kontinuierlich weiterentwickelt – etwa durch eine Zusammenarbeit mit dem Konvent Peter-Friedhofen-Haus in Koblenz, den man ab 2025 im Bereich Housekeeping und Service unterstützen möchte.
Das erste Jahr des Gästehauses im
Schlosspark zeigt, dass es auch innovative Ansätze braucht, damit Inklusion im
Arbeitsleben gelingen kann. Wenn es nach Kathrin Kesberg geht, ist das
Gästehaus dabei Teil einer großen Aufgabe, die Arbeitgeber, Politik und
Gesellschaft betrifft: „Ich
wünsche mir, dass Inklusion auf dem ersten Arbeitsmarkt irgendwann völlig
normal ist. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels wäre das eine sinnvolle
Entwicklung. Vielleicht braucht es einfach noch ein wenig Zeit sowie Vorbilder
und Aufklärungsarbeit, um Vorurteile abzubauen. Wir arbeiten hier jeden Tag
daran“.