11.09.2024
Am 10. September ist der Welttag der Suizidprävention. Wir haben mit Maike Engel (Pflegedirektorin der Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie und des St. Elisabeth Lahnstein) sowie Erik Hau (Direktor Unternehmenskultur) über das Thema gesprochen.
Jedes Jahr nehmen
sich ungefähr 10.000 Menschen das Leben. Das bedeutet, dass die Zahl der
Suizidtoten in Deutschland ungefähr dreimal so hoch ist wie die der
Verkehrstoten. Gleichzeitig schätzen Experten, dass auf einen Suizid
statistisch gesehen 10 – 20 Suizidversuche kommen. Suizidalität ist daher ein
Themenfeld, das eine deutlich größere Beachtung verdient. Als christlicher
Träger steht die BBT-Gruppe klar zum Leben mit all seinen Facetten und
Herausforderungen. Menschen werden in schweren Lebensphasen gezielt begleitet,
so auch in den Fachkliniken für Psychiatrie und Psychotherapie der Barmherzigen
Brüder Saffig und des St. Elisabeth Lahnstein.
Frau Engel, am heutigen Tag der Suizidprävention blicken wir gezielt auf ein Themenfeld, das in der Gesellschaft oft ein Tabu-Thema ist. Wie erleben Sie dies in Ihrer Arbeit?
Das Thema stellt uns in der alltäglichen Praxis immer wieder vor Herausforderungen. Jedoch wird es völlig offen und wertneutral thematisiert und gemeinsam bearbeitet.
Wie werden in den Fachkliniken in Saffig und Lahnstein Menschen mit Suizidgedanken begleitet und behandelt?
Hier haben wir feste Instrumente und Prozesse installiert. Die strukturierte Einschätzung des Suizidrisikos erfolgt bereits beim Aufnahmegespräch und zieht sich durch die komplette Behandlungszeit bis hin zur Entlassung. Sollte sich bei Patient*innen ein erhöhtes Risiko vorfinden, wird ein individuelles Begleitungskonzept entwickelt und umgesetzt. Bei einem sehr hohen Risiko oder einem Suizidversuch steht in der Fachklinik St. Elisabeth Lahnstein auch eine geschützte Station zur Verfügung.
Herr Hau, welche Rolle spielt das Thema der Suizidprävention in den Bereichen der Senioren- und Teilhabedienste?
Der Umgang mit Sterbewünschen ist ein wichtiges Thema in diesen Bereichen. Gerade im Umgang mit vulnerablen Menschen, wie beispielsweise Pflegebedürftigen oder Menschen mit Behinderungen, gilt es in den Blick zu nehmen. Mit dem Älterwerden gehen soziale und körperliche Veränderungen einher, von denen viele als Einschränkungen, Verluste oder Kränkungen erlebt werden können. Im Bereich der Teilhabe stehen wir vor der Herausforderung, dass bei Personen mit kognitiver Beeinträchtigung das Risiko für erhöhtes suizidales Verhalten deutlich ausgeprägter ist.
Wie stellen sich die Barmherzigen Brüder Saffig grundsätzlich bei diesem Thema auf?
Als christliche Einrichtung sehen wir es als unsere Aufgabe, für den Wert eines jeden Lebens einzutreten. Bedauerlicherweise verengt sich der Umgang mit diesem Thema sehr auf Fragen der Suizidassistenz. Wichtiger ist es aus unserer Sicht den Fokus auf Sterbebegleitung und Suizidprävention zu richten. Hier ist natürlich die Arbeit im Bereich Psychiatrie und Psychotherapie von großer Bedeutung. Wichtige Bausteine in unseren Einrichtungen sind zudem Palliative Care und die sogenannte Gesundheitliche Vorsorgeplanung. Zugleich braucht es aber auch eine breite gesellschaftliche Anstrengung, um Einsamkeit und Exklusion entgegenzutreten. Das fängt schon bei der Sprache an: Es ist bedenklich, wenn das Alter nur als problematische und negative Lebensphase dargestellt wird. Dabei ist dies doch ein großer Fortschritt, dass immer mehr Menschen ein langes und erfülltes Leben führen, obwohl sie aufgrund ihres Alters eingeschränkt sind. Aber auch die Lebenswirklichkeit vieler Menschen mit Behinderung oder psychischer Erkrankung ist oftmals nicht von umfassender Teilhabemöglichkeit geprägt. Hier ist die ganze Gesellschaft gefragt, damit wir gemeinsam an einer Entstigmatisierung von Behinderung und psychischer Erkrankung arbeiten können.
Frau Engel, an wen kann ich mich wenden, wenn ich Hilfe benötige?
Allen Menschen steht rund um die Uhr unter Telefon 0800-1110111 die Telefonseelsorge als Ansprechpartner zur Verfügung. Mittlerweile gibt es auch eine Chatfunktion, um sich online auszutauschen. Die Suizidprävention ist ein Kernthema der Telefonseelsorge und sie möchte verhindern, dass Menschen in einem Zustand akuter Verzweiflung oder tiefer Depression einen Suizid vollziehen. Außerdem kann man sich jederzeit an eine psychiatrische Klinik mit einem Versorgungsauftrag wenden.