18.09.2023
Auf dem Weg zur angekündigten Krankenhausreform der Bundesregierung häufen sich Insolvenzen von Krankenhausträgern. Was sind die Gründe und warum brauchen die Kliniken im Land kurzfristige Lösungen im Sinne eines Vorschaltgesetzes? Wir haben nachgefragt bei Jérôme Korn-Fourcade, Regionalleiter der BBT-Gruppe für die Region Koblenz-Saffig, bestehend aus dem Katholischen Klinikum Koblenz · Montabaur (KKM) und der Fachklinik für Psychiatrie in Saffig.
Herr Korn-Fourcade, die von Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach noch für dieses Jahr versprochene große Krankenhausreform soll vieles besser machen. Wie passt das zu den in jüngster Vergangenheit gehäuft auftretenden Insolvenzanträgen von Krankenhäusern?
Die kürzlich bekanntgewordenen Krankenhausinsolvenzen sind nahezu alle auf eine nicht mehr gegebene Zahlungsfähigkeit der Einrichtungen zurückzuführen. Eine bilanzielle Überschuldung liegt wohl in den meisten Fällen nicht vor. Das zeigt sehr eindrücklich, dass wir es vor allem mit zwei großen und sehr akuten Problemen zu tun haben. Zum einen haben sich auch für uns Kliniken die Preise für Energie, Waren und Dienstleistungen inflationsbedingt deutlich erhöht. Zum anderen führt die dem Grunde nach gut gemeinte Refinanzierung der Kosten in der Pflege über die Pflegebudgets zu einer Vorfinanzierung der Liquidität in diesem Bereich durch die Krankenhäuser. Dies zum Teil über mehrere Jahre.
Konkret heißt das, dass wir unsere Pflegekosten und die zugehörigen Budgets zwar in unseren Bilanzen erlösseitig abgrenzen können, die Auszahlung allerdings zeitverzögert mit Abrechnungsfällen in der Zukunft erfolgt. Da viele Krankenhäuser das Belegungsniveau der Vor-Corona-Jahre noch nicht wieder erreicht haben, wächst die Lücke zwischen den bereits entstandenen Kosten und deren Erstattung stetig weiter. Das ist ein Mechanismus, den kein Krankenhaus schuldhaft verursacht hat, sondern der systemisch bedingt ist und der meines Erachtens dringend einer Korrektur bedarf.
Vor dem Hintergrund der für 2024 bereits feststehenden tariflichen Entwicklungen der Personalkosten, wie ist Ihre Prognose für das kommende Jahr?
Zunächst ist es mir wichtig zum Ausdruck zu bringen, dass die verhandelten Tarifsteigerungen für die Kolleginnen und Kollegen unserer Dienstgemeinschaft ein wichtiges Zeichen sind. Auch sie sind im Privaten von der allgemeinen Kostenentwicklung und von steigenden Sozialversicherungsbeiträgen betroffen. Neben dem Aspekt der Wertschätzung für ihren wichtigen Dienst ist das hoffentlich ein Puzzlestück, um schwierigen Zeiten mit weniger Sorgen begegnen zu können.
In Bezug auf die Refinanzierung der tariflich bedingten Kostensteigerungen stehen wir nicht nur in den Krankenhäusern, sondern im Gesundheits- und Sozialwesen insgesamt für das Jahr 2024 vor einer gewaltigen Herausforderung. Die Personalkosten, die in etwa zwei Drittel unserer Gesamtkosten ausmachen, steigen im zweistelligen Prozentbereich. Die Preise für medizinische und therapeutische Dienstleistungen als Basis unserer Erlöse im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Dass Krankenhäuser durch Tariftreue in existenzielle Nöte gedrängt werden hat schon eine besondere Qualität und auch einen sehr bitteren Beigeschmack.
Was sind die konkreten Forderungen der Krankenhäuser an die Politik?
Die gesetzlichen Regelungen zur Anpassung unserer Preise an das Niveau der gestiegenen Kosten sind ein zentraler Aspekt. Konkret geht es um die faire Refinanzierung der Tarif- und Sachkostensteigerungen. Die Datengrundlage zur Kalkulation der Fallpauschalen ist systembedingt für jeden neuen Abrechnungskatalog zwei Jahre alt. Das bildet unsere aktuellen Aufwände nicht ab. Darüber hinaus würden die Wiedereinführung der Berücksichtigung von Mengenentwicklungen bei der Kalkulation der Landesbasisfallwerte sowie eine Verlängerung des Ende 2023 auslaufenden verkürzten Zahlungsziels für unsere Rechnungen an die Krankenkassen vielen Krankenhäusern enorm helfen. Zu guter Letzt muss meiner Meinung nach ein Weg gefunden werden, die beschriebene Problematik bei der Auszahlung der Pflegebudgets zu lösen, bzw. diese mit zeitlich deutlich geringerem Versatz an die Krankenhäuser zu überweisen.
Wichtig ist auch zu erwähnen, dass es bei diesen Vorschlägen nicht um staatliche Subventionen nach dem Gießkannenprinzip, wie etwa beim aktuell diskutieren Industriestrompreis, geht. Vielmehr ließen sich alle beschrieben Punkte im Zuge eines Vorschaltgesetzes am und im bestehenden System abbilden bis die dringend erforderliche Krankenhausreform greift.